An Ihrem Esstisch sitzt die Dritte im Bunde
Stellen Sie sich doch einmal vor, Sie als Paar sitzen an Ihrem Esstisch und Ihnen gegenüber sitzt noch eine weitere Person, ein echter Mensch aus Fleisch und Blut. Das ist Ihre Beziehung! Wie sieht sie aus? Ist sie alt oder jung, dick oder dünn, geschunden und zerzaust oder gepflegt und in einem Top-Zustand? Was bräuchte diese Person, um sich bei Ihnen beiden wohlzufühlen? Wie würden Sie sie behandeln? Was bieten Sie der Person an? Wie gut kümmern Sie sich um sie?
Evtl. erscheint diese Perspektive etwas ungewohnt. Allerdings können Sie sich damit sehr gut vor Augen führen, dass eine Partnerschaft aus einem „Ich“, einem „Du“ und einem „Wir“ besteht.
Die jüngeren Entwicklungen haben dazu geführt, dass in Partnerschaften die Interessen der einzelnen Partner über die der Beziehung gestellt wird. Wenn Sie sich Ihre Beziehung aber als Dritten im Bunde vorstellen, wird schnell deutlich, dass auch dieser Dritte eigene Interessen und Bedürfnisse hat. Das „Wir“ braucht genauso Pflege, Aufmerksamkeit und Zeit wie „Du“ und „Ich“.
Eine Beziehung können Sie bewirtschaften wie ein Sparkonto
Wann immer Sie etwas für das „Wir“ tun, wächst also Ihre Beziehung. Ihre Investition landet nicht auf dem Konto des anderen, sondern auf Ihrem gemeinsamen Beziehungskonto. Dort wird es gut verzinst und gelangt mit ein wenig Gewinn wieder zu Ihnen zurück. Wie bei einem richtigen Konto ist es auch hier besser, wenn Sie nicht nur abheben, sondern regelmäßig immer wieder etwas einzahlen. Ist erstmal ein kleines emotionales Beziehungspolster aufgebaut, hilft es Ihnen auch über schlechte Zeiten hinweg wie z.B. länger andauernde Belastungen oder Stressphasen. Sie können dann von Ihren Ersparnissen leben. Heben Sie allerdings regelmäßig zu viel ab, bspw. durch Kränkungen, Verletzungen, Streit, Vorwürfe, Rückzug, Missachtung, Desinteresse oder Vernachlässigung, geht Ihre Beziehung ganz sicher in den Konkurs. Auch ein zu hoher Schuldenberg ist schon gefährlich. Manch einer gibt dann evtl. schon vor der Insolvenz auf.
Um zu einem emotionalen Überschuss zu kommen, müssen Ihre Einzahlungen deutlich über Ihren Abhebungen liegen. Der amerikanische Beziehungsanalyst John Gottman hat sich intensiv mit der Stabilität von Ehen beschäftigt und sagt, dass eine einzige Abhebung von fünf Einzahlungen kompensiert werden sollte.
Vielleicht verständigen Sie sich einmal darüber, was in Ihrer Beziehung als Einzahlung und was als Abhebung gilt? Evtl. haben Sie verschiedene Währungen oder einen eigenen Wechselkurs? Ganz sicher bin ich mir aber, dass viele kleine Liebenswürdigkeiten, Aufmerksamkeiten, vor allem aber gemeinsame Zeit unterm Strich zu einem veritablen Guthaben anwachsen können.
Zur Vertiefung
- Für den deutschen Markt und für jedermann aufbereitet ist das Buch von John Gottman: „Die sieben Geheimnisse der glücklichen Ehe“ (2014)
- Roland Weber befasst sich in seinem Buch „Gehen oder Bleiben“ (2019) zwar im Kern damit, ob die angeknackste Beziehung noch eine Chance hat, betont aber im Vorbeigehen auch sehr schön, was glückliche Beziehungen ausmacht.
- Von Jürg Willi gibt es gleich eine ganze Reihe empfehlenswerter, Bücher, die allerdings ein wenig im wissenschaftlichen Duktus gehalten sind. Dennoch: Damit können Sie kaum etwas falsch machen.