Resilienz – Ein Positionspapier

Selbstverantwortung? Selbstüberlassung? Selber Schuld?

Es gibt kaum einen Bereich, in dem heutzutage nicht die Sprache auf Resilienz kommt. Am liebsten wird sie in helfenden Berufen thematisiert, aber auch für Eltern oder für Führungskräfte spielt sie zunehmend eine Rolle. Resiliente Menschen scheinen „Stehauf-Männchen“ zu sein, solche, die stärker werden je größer die Herausforderungen sind. Resilienz muss eine Art persönlicher Schutzschild gegen alle möglichen Widrigkeiten wie Stress, Erschöpfung oder Krankheit sein. Deswegen haben Bücher, Seminare und Trainings zur Stärkung der Resilienz auch seit einiger Zeit Hochkonjunktur.  Oft lautet ihr Tenor: Es liegt an Ihnen, was Sie aus Ihren Schicksalsschlägen und Problemen machen, ob Sie daran wachsen oder kaputt gehen!

Aber ist das wirklich gemeint und gewollt mit diesem arg beanspruchten Resilienzbegriff? Wollen wir tatsächlich immer mehr – oder vielleicht nur noch – den Menschen die Verantwortung anhängen für zunehmenden Stress, Belastung und Gesundheit? Ist das die richtige gedankliche Laufrichtung, einzelne Personen zu stärken, damit die großen Krisen, Unsicherheiten, Unübersichtlichkeiten und Probleme dieser Welt ihnen nichts anhaben können?

Mir scheint es zunehmend so, als missbrauchen wir das Resilienzkonzept, indem wir alle zur Übernahme von Eigenverantwortung auffordern. Und das auch gerne mal dort, wo die allgemeine gesellschaftliche Verantwortung in die Sphäre kleiner Privatpersonen abgeschoben werden soll. Gesellschaftliche „Systeme“ wie der Arbeitsmarkt oder das Bildungssystem bringen teilweise große Herausforderungen, ja sogar Härten für die einzelne Person mit. Da werden im Lockdown „überforderte, erschöpfte“ Kinder in die Verantwortung genommen und haftbar gemacht dafür, ob sie nun erfolgreich oder erfolglos in der Schule sind. Da wird Eltern aufgezeigt, wie sie die Belastungen des Eltern-Seins mit den hohen Anforderungen im Beruf vereinbaren können. Und oft schwingt der Eindruck mit, jeder könne alles schaffen, wenn er nur resilient genug ist. Diese Sichtweise grenzt für mich manchmal an Selbstüberschätzung.

Ich weiß nicht so recht, ob der Begründer der Positiven Psychologie, Martin Seligman, das damals gemeint hatte, als er erforschte, was Menschen stärkt und gesund hält. Vielmehr denke ich, dass es sich lohnt, zwischen individueller Bewältigungskompetenz, Selbstverantwortung, Selbstüberlassung und „Selber schuld“ noch einen Unterschied zu machen.

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