Eine Trennung ist für alle Kinder eine Herausforderung
Wenn Eltern sich trennen, ist das für ein Kind ohne Zweifel eine schwierige Situation. Auswertungen zahlreicher Studien zeigen, dass Kinder aus Scheidungsfamilien sich tendenziell mehr Sorgen machen, häufiger unter Ängsten leiden, eher zur Depression neigen und ihr Risiko höher ist, wütend, aggressiv oder unkonzentriert zu sein. Es scheint also alles darauf hinzudeuten, dass die Trennung der Eltern mit negativen Folgen für die Kinder verbunden ist. Was aber viele Studien nicht in den Blick nehmen, sind die Bewältigungsmöglichkeiten, die Eltern und Kinder im Umgang mit Trennungserfahrungen haben. Kinder müssen nicht zwangsläufig ein Leben lang für Versäumnisse der Eltern büßen – wenn es denn überhaupt Versäumnisse sind.
Viele Auswirkungen haben gar nicht unmittelbar etwas mit der Trennung zu tun, sondern mit den vielen Veränderung, die damit einhergehen. Bis sich eine Trennungsfamilie neu organisiert hat, können zwei, drei Jahre vergehen. Oft kommt es zu finanziellen Problemen, meist sind getrennte Eltern nicht mehr zu jeder Zeit fürs Kind emotional verfügbar und wenn es ganz schlecht läuft, dann verlieren Mütter und Väter durch den Trennungsstress zeitweilig die Bedürfnisse ihrer Kinder aus dem Blick. Die größte Gefahr geht deswegen von hochstrittigen Elternpaaren aus. Sie sorgen fast immer für höchste Belastungen beim Nachwuchs.
Was tun, um Trennungsfolgen für Kinder gering zu halten?
Eine Trennung ist die Lösung für die Probleme der Erwachsenen und wird deswegen auch nur von ihnen gewünscht. Kinder wollen meist keine Trennung. Wie sie selber die Situation bewältigen können, hängt u.a. davon ab, wie die Eltern mit ihnen und der gesamten Situation umgehen.
Kinder übernehmen die Gefühle ihrer Eltern.
Kinder sind oft unmittelbar von den Emotionen eines schweigenden Vaters oder einer weinenden Mutter betroffen. Sie leiden mit ihnen. Ist die Mutter traurig, denken sie, der Vater sei böse. Ist der Vater verzweifelt, vermuten sie, die Mutter sei schuld. Die oft nicht beantwortbare Frage nach dem „Warum“ führt dann zu widersprüchlichen Gefühlen und Loyalitätskonflikten. Hilfreich ist, wenn Eltern ihren Kindern ausreichend erklären, warum nun ein Teil nicht mehr mit ihnen zusammenlebt. Andernfalls neigen Kindern dazu, sich ihre eigenen Erklärungen zu suchen, die evtl. nichts mit der Realität zu tun haben.
Kinder haben immer zwei Elternteile
Auch nach der Trennung sollten Kinder den Zugang zu beiden Elternteilen haben. Ideal wäre es, wenn dieser Zugang auch möglichst einfach genutzt werden könnte und kein Elternteil Hürden zum jeweils anderen baut.
Eine Trennung ist nicht das Ende der Familie
Eine Trennung beendet das Zusammenleben aller Familienmitglieder, aber die Familie existiert weiter – nur mit zwei Wohnorten. Wenn Eltern ihren Kindern während einer Trennung glaubhaft versichern, dass sie auch weiterhin als Familie immer für das Kind da sein werden, wirkt sich das erfahrungsgemäß günstig aus. Allerdings sollten dann aber auch beide „liefern“ und eine gute Ko-Elternschaft zeigen. Das schließt z.B. ein gutes Betreuungsmodell ein, in dem auch beide Eltern gleichberechtigt vorkommen.
Fazit
Selbst wenn die ersten familiären Erfahrungen unglücklich verlaufen, können aus Trennungskindern durchaus im Leben zufriedene und erfolgreiche Erwachsene werden. Und ja, sie können auch glückliche Beziehungen führen. Allerdings gelingt dies am ehesten, wenn Eltern ihren Trennungsprozess möglichst moderat halten und die Konfliktphase nicht von langer Dauer ist. Hochstrittige Eltern, deren Konflikt zum Dauerzustand wird, belasten hingegen ihre Kinder enorm.
Zur Vertiefung
- Eines der letzten Bücher des Schweizer Kinderarztes Remo Largo: Glückliche Scheidungskinder: Was Kinder nach der Trennung brauchen (2015)
- Wer die ganze Gefühlspalette eines Kindes während einer Trennung hautnah miterleben will, der kann den Oscar-Gewinner aus dem Jahr 1980 anschauen: „Kramer gegen Kramer“
- Zahlreiche Methoden und Übungen für Eltern und Familientherapie hat Susanne Strobach in ihrem Buch „Scheidungskindern helfen“ (2021) zusammengestellt.